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Neue Veröffentlichung im Strategic Management Journal

© Strategic Management Journal

Unternehmen mit ähnlicher Denkweise nutzen häufiger „unvollständige“ Verträge in strategischen Allianzen und gehen damit große juristische Risiken ein.

In einer neuen Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Strategic Management Journal (VHB Rating A+) veröffentlicht wurde, untersuchten Forscher von TU Dortmund, Universität Groningen, Universität Passau und Seoul National University, unter welchen Umständen Unternehmen in strategischen Allianzen absichtlich unvollständige Verträge abschließen.

Im Geschäftsleben gilt üblicherweise die Regel, möglichst vollständige Verträge abzuschließen, die alle möglichen Eventualitäten berücksichtigen. Solche Verträge sind komplex und teuer, bieten aber Sicherheit im Streitfall. Unternehmen, die unvollständige Verträge abschließen, riskieren überraschende Gerichtsurteile, wie etwa die US-Firma SIGA Technologies, die nach einer gerichtlichen Niederlage gegen ihren ehemaligen Allianzpartner PharmAthene 2015 Insolvenz anmelden musste.

Die Autoren der Studie vermuteten, dass Unternehmen eher geneigt sind, einen Allianzvertrag absichtlich unvollständig zu lassen, wenn sie glauben, dass beide Partner ähnliche kognitive Strukturen aufweisen. „Das bedeutet im Prinzip, dass sie die Welt mit ähnlichen Augen sehen“, erklärt Professor Lorenz Graf-Vlachy von der TU Dortmund, einer der Autoren. In solchen Fällen vertrauen die Unternehmen oft unbewusst darauf, dass sie sich im Konfliktfall konstruktiv einigen können.

Die Ähnlichkeit der kognitiven Strukturen der Allianzpartner wurde durch den Vergleich der „Mission Statements“ der Firmen gemessen. Die absichtliche Unvollständigkeit von Verträgen wurde durch die Häufigkeit sogenannter „Good Faith“-Regelungen – besonders interpretationsbedürftige und vor Gericht sehr unterschiedlich auslegbare Klauseln – ermittelt.

Analysen von 1.225 Allianzen in der Biotech- und Pharmabranche bestätigten die Vermutung der Autoren: Es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen der kognitiven Ähnlichkeit der Allianzpartner und der Unvollständigkeit ihrer Verträge. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn es um eine Technologie mit großer Unsicherheit geht (weil es dann immer schwieriger ist, vollständige Verträge zu spezifizieren), und schwächer, wenn die Allianzpartner viel Erfahrung mit Allianzen haben (weil sie sich daher grundsätzlich weniger von „weichen“ Faktoren bei der Abfassung von Verträgen leiten lassen müssen, etwa weil sie bereits viele Musterverträge zur Verfügung haben).

„Unternehmen, die ähnlich ‚ticken‘, schließen tatsächlich systematisch andere Verträge miteinander als Firmen mit unterschiedlichen Weltsichten“, resümiert Graf-Vlachy. „Dies zeigt auch, dass Mission Statements mehr als nur leere Worte sind. Ihr Inhalt beeinflusst tatsächlich, wie Unternehmen strategische Allianzen angehen, also Entscheidungen von großer Tragweite treffen.“

Graf-Vlachy ergänzt: „Die Studie verbessert unser Verständnis dafür, wann und warum Unternehmen bestimmte juristische Risiken absichtlich eingehen.“ Die Erkenntnisse schärfen das Bewusstsein dafür, dass Charakteristika von Unternehmen Vertragsverhandlungen – möglicherweise völlig unbewusst – entscheidend beeinflussen können.

 

Hanisch, M., Graf-Vlachy, L., Häussler, C., König, A., & Cho, T. Kindred Spirits: The Influence of Organizational Cognitive Frame Similarity on Contingency Planning in Strategic Alliances, Strategic Management Journal, online first.

Den Volltext der Studie finden Sie hier.