Veröffentlichung in Academy of Management Discoveries
Es ist kaum vorstellbar, dass ein CEO mehr als ein Unternehmen gleichzeitig gut führen kann—wie also erklären sich „Multi-CEOs“ ihren Stakeholdern?
In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Academy of Management Discoveries veröffentlicht wurde, untersuchten Forscher der TU Dortmund und der HEC Lausanne ein überraschendes, aber wichtiges Phänomen in der Unternehmenswelt: „Multi-CEOs“, d.h. CEOs, die mehrere unabhängige Unternehmen gleichzeitig leiten.
In Anbetracht der zahlreichen Aufgaben von CEOs und der Tatsache, dass die oder der CEO die Gesamtverantwortung für den Erfolg eines Unternehmens trägt, muss es Investoren und anderen Interessengruppen unklug oder illegitim erscheinen, eine Person mehrere Unternehmen gleichzeitig führen zu lassen. Constantine Alexandrakis, CEO der Personalberatung Russell Reynolds Associates, hat es einmal so formuliert: „Die Leitung eines einzigen Unternehmens sollte 150% der Aufmerksamkeit eines CEOs in Anspruch nehmen“.
Die Studie untersucht die Karrieren von vier prominenten Multi-CEOs: Elon Musk (Tesla und SpaceX), Carlos Ghosn (Renault und Nissan), Jack Dorsey (Twitter und Square) und Steve Jobs (Apple und Pixar). Sie zeigt, wie Multi-CEOs und verbündete Akteure wie Aufsichtsräte die Legitimität eines Multi-CEO-Arrangements auf verschiedene Weise sorgfältig steuern.
So geben sie beispielsweise häufig öffentlich zu, dass ein Multi-CEO-Arrangement nicht wünschenswert ist, suggerieren aber gleichzeitig, dass es in ihrer spezifischen Situation unvermeidlich sei. Die Unternehmen führen häufig einen vollständigen CEO-Suchprozess durch—und diskutieren diesen öffentlich—was dem Endergebnis eines Multi-CEO-Arrangements Legitimität verleiht. „Multi-CEOs sprechen auch oft darüber, wie viel Arbeit es sei, zwei Unternehmen zu führen, was den Stakeholdern das gute Gefühl gibt, dass ihre Bedenken ernst genommen werden. Gleichzeitig behaupten Multi-CEOs aber, dass ihre Aufgabe durchaus erfüllbar ist, zum Beispiel weil sie hervorragende Teams haben, die sie unterstützen. Insbesondere haben sie oft Chief Operating Officers, die ihnen Arbeitslast abnehmen. Elon Musk zum Beispiel hat Gwynne Shotwell, die SpaceX quasi für ihn leitet“, sagt Lorenz Graf-Vlachy, Professor an der TU Dortmund und einer der Autoren.
Außerdem schließen Multi-CEOs oft symbolische Vergütungsvereinbarungen ab. Graf-Vlachy erklärt: „Steve Jobs bekam von Apple nur ein Gehalt von 1$. Aber er besaß viele Aktien, was den Investoren die Gewissheit gab, dass er nur dann Geld verdienen würde, wenn sie das auch täten.“ Multi-CEOs teilen auch bewusst ihre Zeit zwischen den Firmensitzen auf, sei es, dass sie täglich zwischen ihnen hin- und herlaufen, wie Dorsey zwischen Twitter und Square in San Francisco, oder dass sie ihre Wochen zwischen Paris und Tokio verbringen, wie Carlos Ghosn es für Renault und Nissan tat. Multi-CEOs versuchen darüber hinaus, den Eindruck von Interessenkonflikten zu zerstreuen, indem sie beispielsweise behaupten, sich bei Entscheidungen, die ihre beiden Unternehmen betreffen könnten, zurückzuziehen, oder indem sie explizite Entscheidungsregeln artikulieren.
Graf-Vlachy ergänzt, dass „die Studie unser Verständnis dafür verbessert, wie Multi-CEOs in ihre Positionen kommen und wie sie damit durchkommen“. Die Studie wirft somit ein Licht auf das Phänomen der Multi-CEOs und sensibilisiert Stakeholder für ihre Strategien.
Den Volltext der Studie finden Sie hier.
Graf-Vlachy, L., Hensellek, S., & Haack, P. 2024. Multi-CEOs: A Legitimacy Perspective on Executives Leading Multiple Firms, Academy of Management Discoveries, online first.